Rück- und Vorausblick
Weihnachten 2008
Eine Bestandsaufnahme von 2008

Da meine Eindrücke aus dem Jahr 2007 zu dieser Lauf-Gruppe geführt haben, veröffentliche ich meine Eindrücke von 2008 auch an dieser Stelle. Trotz der Länge doch nur ein Destillat denn die ausführliche Behandlung aller Aspekte, vor allem des ersten Abschnitts zum Thema Vereinsausstieg, ergäbe einen Roman.

 

Ein Verein ist ein Zusammenschluß gleichgesinnter - zumindest per Definition.

Dennoch bezahlen gemeinnützige Vereine zur Durchführung ihrer Sportangebote steuerlich begünstigte Übungsleiter. Veranstaltungshelfer der Volksläufe kommen kaum auf die Idee, für ihren Ensatz bei meist gewinnbringenden Veranstaltungen, einen Stundensatz zu verlangen. Minijobber und Zeitarbeitskräfte erhalten meist einen niedrigeren Stundenlohn - Brutto. Wenn dann noch einige dieser aus den allgemeinen Einnahmen, vornehmlich Mitgliedsbeiträgen, finanzierten Übungsleiter keinerlei Identifikation mit dem Verein zeigen, mutet es eher wie ein Gewerbebetrieb an.

Dienstleister im Zusammenhang mit einzelnen Veranstaltungen werden aus deren konkreten Einnahmen, meist Startgelder, finanziert. Sie sind also nicht in die Gemeinschaft eingebunden, ein Interesse am Vereinsgeschehen ist nicht zu verlangen. Sehr wohl sollte man dies von allen Abteilungen bzw. Sportarten eines Vereins erwarten, dennoch erlauben es sich manche, teils über Jahrzehnte hinweg, keine Öffentlichkeitsarbeit zu leisten und nicht einmal im Vorstand präsent zu sein.

Jugendarbeit verpufft, wo Sportstunden für die Eltern nur als billige Kinderverwahrung fungiert und kein Nachwuchs für den Laufsport und für die Vereinsgemeinschaft heranwächst.

Der betreffende Verein ist nicht schlecht, aber einige Situationen und Vorgänge mißfielen mir.

Von der ursprünglich solidarischen Struktur wandelt sich der Sport auch im Kleinen zum Kapitalismus.
Immer kompliziertere Regeln und Serienwertungen, gestiegene technische Anforderungen und die Gier nach höchsten Teilnehmerzahlen lassen kommerzielle Dienstleister auf den Plan treten, wenn die Aufgaben so komplex und umfangreich werden, daß kaum noch jemand aus der Gruppe spontan einspringen kann. Auch der Ehrenamtler sieht sich damit höheren Startgeldern gegenüber, die gerade bei großen Events eine schmerzhafte Höhe erreicht haben.
In diesem Bereich gibt es wohl keinen Gemeinschaftsgedanken mehr und der finanzielle Umfang liegt jenseits der Gemeinnützigkeitsgrenzen. Wie z.B. einem "Verein", der die Geldmenge eines Zigtausend-Teilnehmer-Stadtmarathons bewegt und nur diese Veranstaltung zum Zweck hat, die Gemeinnützigkeit zuerkannt werden kann ist mir ein Rätsel. Fließt das Geld nicht durch den Verein, kann er nur Ideengeber sein und, die Veranstaltung selbst ein reiner Wirtschaftsbetrieb. (Wenn es gemeinnützig ist, einen Geschäftsbetrieb zu initiieren, kann ich ja den Verein "Pelzmoden Vilvo e.V. zur Förderung der Versorgung der Bevölkerung mit ausreichend warmer Kleidung auf Naturproduktbasis" gründen)

Auch bei kleinen Volksläufen werden oft Dienstleistungen eingekauft, entweder weil die Vereine höhere Teilnehmerzahlen technisch nicht allein bewältigen können oder weil in deren Reihen kompetente Kräfte fehlen.
In beiden Fällen zahle ich mit dem Startgeld nicht nur den materiellen Aufwand und eventuell gemeinnützige Vereinstätigkeit sondern finanziere auch Einkommen.
Wenn die Arbeit so umfangreich wird, daß Vollzeitjobs entstehen, muß man das weiterhin in den Mantel der Gemeinnützigkeit kleiden?
Eine uneigennützige Gemeinschaft zur Ausübung des Laufsports ist im Grunde nicht mehr vorhanden. Alles ist durchzogen von unklaren Verhältnissen und ungewissen Geldströmen. Gemeinschaftssinn und Geschäft sind kaum noch zu unterscheiden.

Insofern ist der Guerilla-Run ein Schritt zurück.
Zurück zur Einfachheit, zurück zu wenig Aufwand, zurück zu und mehr Eigenverantwortung und Mitwirkung der Teilnehmer, zurück zu kleineren Gemeinschaften statt anonymer Massenverwaltung.
Wie der LG Vilvo vor einem Jahr ist auch dies zunächst nur eine Idee. Es mag als Mißerfolg gesehen werden, daß der LGV in den 12 Monaten "nur" ein einziges gelegentlich mitlaufendes Mitglied gefunden hat, aber ich sehe es als Erfolg, einen Läufer kennengelernt zu haben, der die Nachhaltigkeit des Trainings mit moderatem Tempo und eher längeren Distanzen zu schätzen gelernt hat.
Die Gemeinsamkeiten von LGV und Guerilla-Run lassen sich in einem Wort zusammenfassen: anders.

Kein Rundumservice der Volksläufe, der fälschlicherweise immer mehr so verstanden wird, als ob er dem, der gestern erst eine Runde um den Block geschafft hat, morgen das Überleben der Marathon-Distanz ermöglichen soll. Wer im November bei 16,5 Km nicht mit 2 Verpflegungsposten zurechtkommt, sollte sich lieber eine entsprechende Ausdauerfähigkeit antrainieren statt mehr Getränkestellen zu fordern.
Manche honorieren, was gut ist. Derartige Bezeugungen sind wichtige Motivation für Veranstalter und Helfer. Neben hilfreicher, sachlicher Kritik wird oft bemängelt, was nicht dem allerhöchsten Komfort genügt. Die Liebe engagierter Helfer zu ihrer Veranstaltung verschwindet teilweise in Anspruchsdenken.
Wer das für Überheblich hält, möge mal die Ausschreibung vom STUNT100 lesen - das ist nicht einfach flapsig geschrieben, es ist ernst gemeint, richtig und wichtig. Es sollte in dem Sinne auf alle Läufe Übertragen werden, als daß man nur teilnehmen sollte, wenn man im Wesentlichen fähig ist, mit den gebotenen Bedingungen umgehen zu können.
Langjähriges Laufen ist durch nichts zu ersetzen.
Wer sich von großspurigen Projekten in ein paar Monaten zum Marathon hochzüchten lässt, wird schwerlich lernen auf seinen Körper zu hören und den Spaß am Laufen schlecht entdecken können.

Wer Gefallen an dieser Idee findet kann bei einem Guerilla-Run helfen oder einen GR anbieten. So können sich auch Vereinslose unkompliziert ihren Sport mitgestalten.

Ich für meinen Teil suche Klarheit.
Bei meinem privaten Engagement möchte ich nun wissen, wem es zu Gute kommt.
Ich möchte mich weiterhin an der Gestaltung der Laufszene beteiligen aber statt im herkömmlich organisierten Sport zu bleiben biete z.Zt. diese kostenlosen Veranstaltungen an:
- Nord Eifel Ultra
- Sommerrodeln
- GR Birgel
- GR Soller
Ebenso kostenlos gibt es die Mitlaufgelegenheit beim LG Vilvo und die Registrierung von Guerilla-Runs bei der WGRA.

Anders ist dabei auch, daß bürokratische Demokratie entfällt.
Keine Ämter, die besetzt werden müssen, keine lästigen Sitzungen mit endlosen Diskussionen. Ich höre mir natürlich Wünsche und Anregungen an, aber Entscheidungen treffe ich allein, denn ich habe nicht den Anspruch, es allen recht machen zu wollen.

Sollte ich einmal für irgendeine Sache ein Entgelt fordern, sage ich offen und ehrlich, daß ich meine Unkosten erstattet und ein Taschengeld haben möchte.

Vereinssport?
Das Wichtigste vorweg: in der Laufgruppe meines Ex-Vereins ist das zu finden was Verein ausmachen sollte und ich möchte die privaten Kontakte gerne erhalten.

Das Erleben dieser Gruppe hat mich dazu bewogen, lange Zeit für den Vereinssport, Gemeinsinn und Mitwirkung zu werben.
Ich sehe keine Erfolge - ausser daß manche mich wohl als Witzfigur sehen.
Wo sich ehrenamtliche Arbeit zwischen Bürokratie und intransparenten Finanzen teilweise verliert, halte ich es dann eben wie manche Übungsleiter: klar beschriebene Arbeiten für eine konkrete Gegenleistung. Möglicherweise werden meine Verfügbarkeit und Flexibilität aus beruflichen Gründen einmal geringer sein als bisher, meine Zeit kostbarer.

Auch über diesen Sinneswandel wird sich mancher aufregen, aber:
Ist der Ruf erst ruiniert ... läuft's sich richtig unbeschwert :-)

Wie man unschwer an meinen Einträgen im Km-Spiel des LGV ablesen kann orientiere ich mich mehr Richtung Ultra. Weniger Wettkämpfe und ein höherer Trainingsumfang, bevorzugt längere Strecken und viel Natur. Lauf-Genuss eben.

2008 hatte ich jedenfalls ordentlich Spaß am Laufen!

 

Soweit der aktuelle Eindruck - mal sehen, was sich 2009 entwickelt.

Stefan Vilvo

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© LG Vilvo / Stefan Vilvo