Debil, Gebeuteltland, 31.12.2006
Debil an der See, ein dähmlicher Name für einen Ort. Und obendrein noch Sitz des
Allgemeinen Sportvereins von Gebeuteltland, kurz ASV Gebeuteltland, in dem per Gesetz jeder
gebeutelte Mitglied ist. OK, der frühere Standort, Dumm am Sain, klang auch nicht besser.
Tradition halt.
Ebenfalls Tradition ist die Eröffnung der Silvesterfeier des Debilen Rates durch
Präsi Hans Krämer im prunkvollen (die Mitglieder zahlen's ja) Vereinsheim mit der
Begrüßung der Vorstandsmitglieder.
"Boah, Scheiße, dieses Gesülze kann ich heute gar nicht ab",
sagte die Vorstandsvorsitzende Andrea Ferkel.
Sanitätswart Ursel Schitt verdreht die Augen. "Ach, lassen Sie's gut
sein. Ist doch das einzige, was ihm bleibt. Zu sagen hat er eh nix, aber wir brauchen ihn um unsere
Beschlüsse anzusegnen."
Ferkel schmunzelt: "Sogar wenn's gegen die Satzung verstösst - merkt
nix und unterschreibt jeden Unsinn. Auch wenn dieser manchmal rumzickt ..."
"Kunststück - den Quatsch kann eh keiner mehr entziffern, nachdem wir's
für die Mitglieder unentwirrbar formuliert haben."
Und die Rechtsabteilung findet's eh nur dann, wenn mal so'n
klugscheißerisches Mitglied rumstänkert."
"Und selbst dann ist's ziemlich wurscht."
"Sie haben recht, Schitt, lassen Sie es uns ertragen."
So begann die Feier für die beiden Damen doch noch recht munter, und sie
waren nicht die einzigen, die sich eher auf den Schampus konzentrierten als auf die Rede des
Präsis. Ist ja auch ein leckeres Zeug, das man sich von den Mitgliedern da sponsern
lässt.
"Was strahlen Sie denn so?"
Der Leiter der Sicherheitsabteilung, Wilhelm Scherbel, gesellte sich zu den Damen.
"Ach, nur kleine Gedankenspiele, Schitt. Stellen Sie sich vor, die Geräte der Telemedizin
wären endlich klein genug, um sie in die Mitgliedsausweise zu integrieren. Zusammen mit den
neuen RFID-Chips könnte man dann nicht nur den Aufenthalt, sondern auch die Aktivität
überwachen."
"Na, so weit ist die Technik aber noch nicht", bemerkte Ferkel.
"Leider, leider. Aber immerhin können wir jetzt schon sehen, wer wann
in welcher Halle trainiert - und alles schön als Trainingstagebuch gespeichert. Und das
andere kommt auch noch", zwinkert er Schitt und Ferkel zu.
Zwischenzeitlich hat der Präsi seine Rede beendet und eröffnet das
Buffet.
Gleichzeitig feiern auch die Mitglieder Silvester, freilich weniger pompös -
man hat's halt nicht so dicke - bei Bier und Chips in der 'R-Bar', ihrer schäbigen
Stammkneipe. Der abgewetzte Tresen müsste wirklich mal erneuert werden, aber da Erich
Ehrbar, der Wirt, natürlich auch Mitglied im ASV ist, bleibt nach Mitgliedsbeitrag und
Sondergebühren nicht genug hängen.
"Pass auf was du sagst, wenn du zum Arzt gehst", sagt Klaus Hövel.
"Ich sagte, ich wolle die kostenlose Vorsorgeuntersuchung machen, aber
das war offenbar nicht präzise genug. Als die trotzdem die Konsultationsgebühr haben
wollten war ich noch irritiert, aber weil die Schitt ja eh dauernd rummurkst, hab ich mir
erstmal nix gedacht, als die sagten, 'Das machen wir aber immer so'." Hövels Laufkamerad
Martin Scholz nickt bedächtig und greift nochmal in die Schale mit den Chips. "Hab mich
aber erkundigt: 's gilt immer noch - kein Befund, keine Gebühr. Also wenn man
ausschließlich deswegen hingeht. Aber - der alte Trick: einfach etwas mehr gemacht und's
wird doch fällig. Merke: 'Blutuntersuchung' ist nicht 'Blutuntersuchung'. Als ob das einen
Unterschied macht, ob der Apparat im Labor 3 oder 5 Werte ausdruckt. Mein Tip, wenn du dich auch
mal durchchecken lassen willst: sag nicht, daß du die Vorsorge machen willst, sag, daß
du NUR die Vorsorge machen willst und zahle einfach nix."
"Weia, da kommt's ja auf jedes Wort an. Komm mir da eh meist verarscht
vor. Finden tun die ja nie was. Müsste eigentlich mit dem Knie mal hin, solange da noch
nix ernstes ist." Ein weiteres Kölsch verschwindet aus seinem Glas. "Damit
warte ich besser bis ich nicht mehr laufen kann. Für ein paar warme Worte und 'ne Schachtel
nutzloser Pillen sind mir die 20 Mark zu teuer. Wenn die zu geizig sind, gleich bei den ersten
Symptomen gründlich zu arbeiten, wird's eben nachher teurer."
"Tja, nur ein kranker Patient ist ein guter Patient, sonst gäb's
ja nix zu verdienen. Und mit Hundeblick verkündet man dann wieder eine leider
unumgängliche Beitragserhöhung." Ein weiteres Kölsch sieht seiner Vernichtung
entgegen.
"Na, dann - auf ein teures neues Jahr."
"Ja, klasse" grummelt Hövel "kaum geben die Wettkämpfe
etwas mehr an Siegerpreisen her ..."
"... wird der Beitrag erhöht. Bestell noch schnell ein Bier, das
nächste kostet schon mehr. Es ist", wie immer in Gebeuteltland, ergänzt Scholz
im Geiste, "5 vor 12."
"Nun jammert nicht so, Jungs", schaltet Wirt Erich sich ein und stellt
ihnen 2 Gläser Sekt vor die Nase, "immerhin seid ihr noch im Kader statt euch ins Heer
der Hobbysportler einreihen zu müssen."
'Hobbysportler', ein Wort daß einen Schaudern lässt, haftet ihm doch
das Stigma des Trainingsschmarotzers an; die, die nicht an Wettkämfen teilnehmen und nicht im
Kader trainieren.
"Also: Countdown für 2007 ...", sagt Erich und scheucht die
Gäste vor die Kneipe zum Feuerwerk.
Endlich: das neue Jahr ist da. Und damit - vorerst - das Ende der sich im Vorjahr
abzeichneten Unbilden. Rieben sich die Vereinsmitglieder 2006 die Hände wegen der sich
bessernden Rahmenbedingungen im Sport, so tut dies nun die Vereinsführung.
Vorsitzende Andrea Ferkel und ihr Vorstand haben mit höheren Mitgliedsbeiträgen
dafür gesorgt, daß künftig wieder vernünftig gejammert werden kann.
Gebeuteltland wäre ja nicht Gebeuteltland wenn alle glücklich und zufrieden wären
- man hat ja einen Ruf zu verlieren.
So beginnt das neue Jahr mit einigen herrlich undurchsichtigen Änderungen der
Beitragsstruktur - hier etwas weniger, da kräftig aufgeschlagen - was solls, Mitglied
muß eh jeder sein und wehren kann sich ja doch keiner. Es gibt zwar Vorstandswahlen,
aber die paar Mitglieder, die sich da blicken lassen, werden vorher mit irgendwelchem Blabla
vollgesülzt.
'Meine Fresse sind das Schnarchnasen' raunzte Ferkel als Sie
gewählt wurde Trainer Hourtz (bereits in seiner 4. Amtsperiode und ein Wechsel ist nicht
in Sicht) zu, der einige tolle Ideen hatte, die Mitglieder zu verarschen,
und begann fleißig an der Beitragsschraube zu drehen.
Neuerster Coup ist ihre ursprünglich von einigen uneinsichtigen Vorstandsmitgliedern als
'Ferkelzuschlag' verschmähte Erhöhung der Kursgebühren.
Zusätzlich sorgte Santitätswart Ursel Schitt mit schwer verständlichen Änderungen
der Sanitätsorganisation für ein Ansteigen der Umlage zur Finanzierung der
Sanitätsabteilung, damit die Kameraden dort nicht denken, sie
müssten doch irgendwann nach Grundsätzen von Vernunft und Sparsamkeit handeln. Gut,
sparsam sind die schon, aber natürlich nicht bei sich selber. Eher bei den Verletzten -
sollen sie doch gefälligst aufpassen beim Sport, das Geld wird schließlich in der
Verwaltung gebraucht.
Das ist nun also der Stand der Dinge zu Beginn unserer Serie. Verpassen Sie unbedingt die
Fortsetzung auf diesem Kanal ...
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Lauftreff. Mal wieder im Nieselregen, und den januarüblichen
Herbststürmen, daß Hövel und Scholz sich anschreien müssen, um sich
zu unterhalten.
Hövel ist mal wieder motzig. "Also, ich weiß nicht, ob ich
mir einen neuen Mitgliedsausweis machen lasse, wenn der alte abläuft. Da sieht man mal
wieder, daß im Vorstand keine Läufer sind. Ist doch Kappes, in die RF-Dinger die
ganzen Personendaten zu speichern - die gehören auf die Vorstands-PCs und auf den
Chip kommt nur die 'Startnummer'. Dann ist's nicht ganz so schlimm, wenn unbefugte die Chipdaten
ausspähen, weil sie dann immer noch nicht wissen, wer da nun wo unterwegs ist."
"Schlimm genug." murmelt Scholz, was aber vom Winde verweht wird.
"Und das ist ja erst der Anfang," doziert Hövel weiter, "
später wird der Chip, wie bei den Tieren, implantiert und die Infrastruktur der
Straßenbeleuchtung wird genutzt, zum flächendeckenden Ausbau des
Überwachungsnetzes.
Dann wissen die wirklich haargenau, wann du zu welchem Supermarkt gehst. Alles natürlich
unter dem Vorwand, Verbrechen vorzubeugen - als ob die Einbrecher nicht die ersten wären,
die sich den Chip rausoperieren."
Schlechte Laune hebt das Tempo, und Hövels Tirade kommt nur noch
halbsatzweise. Auch Scholz' Stimmung sinkt, und so bleibt ein Protest für eine
Geschwindigkeitsreduktion aus. Ein flotter Trainingslauf hat noch niemand geschadet.
"Tja, Klaus, alles nur um die bösen,
bösen Trainingsstörer aus entfernten Vereinen zu bekämpfen. Aber bespitzelt
werden nur wir, wo eh jeder Wettkampf dokumentiert wird. Die
Drecksäcke wollen nur die totale Kontrolle über uns und jeden kleinen Waldlauf
protokollieren."
Eine Weile traben sie still weiter. Nur das Schnaufen ist vernehmbar, wenn sie
wieder gegen eine Windböe anrennen. Hövels Miene verdüstert sich weiter und ein
weiteres Thema, das ihn ärgert, kommt ihm in des Sinn.
"Der Scherbel spinnt doch mit seinem 'Quasi-Diebstahl'. Bei den Leuten zu
Hause die Sportgeräte beschlagnahmen wollen, weil vielleicht in der Halle was geklaut
worden sein könnte - der spinnt doch. Ich zahl' meine Beiträge demnächst
mal mit 'Quasi-Mark'."
"Der hält doch eh jeden für Gefährlich, der kein Schild
'Ich bin kein Terrorist - ganz ehrlich' um den Hals trägt." Scholz kommt auch in Rage.
"Wen wundert's, daß Trainer Hourtz, dessen allseits geschmähten und inzwischen
erwieserermaßen untauglichen Trainingspläne der Vorstand so begeistert eingeführt
hat, ja nun auch vorbestraft ist. Alles Gauner."
In der Zwischenzeit lümmelt sich ein Beisitzer im Vorstand, dessen Namen sich
niemand die Mühe macht zu merken, während er mal wieder eine Sitzung schwänzt
eingedöst in seinem luxuriösen Chefsessel und träumt vor sich hin. Vom ultimativen
Mitgliedsüberwachungschip, der nicht nur übermittelt, wer sich wann wo aufhält,
sondern auch erkennbare Ordnungswidrigkeiten und alle Kontenbewegungen der Einkäufe.
Bargeld muß zur Betrugsbekämpfung abgeschafft werden, das soll alles elektronisch
über den Chip abgewickelt werden.
Ach, der brave Mann - letzteres wird's nie geben, würde es doch die krummen Geschäfte
der Vorständler mit ihren Camerades behindern.
Leider wird der Schlaf unruhig, daß er aufwacht, denn wie man die Menschen fernsteuern
könnte, ist ein Traum, für den die Neurologie leider noch nicht reif ist.
Bei den Forschungsförderungen auf diesem Gebiet sollen die Schitt, die Schafhahn und
der Kloß mal lieber nicht sparen.
Scholz hat derweil mal wieder ein Erlebnis der debilen Art zu berichten.
"Neulich kriegte ich einen Hinweis zugeschickt, ich hätte bei der Einreichung der
Trainingsliste vom November vergessen Feld 68 auszufüllen, und sollte bitte in Zukunft
daran denken, es zu tun. Unnötig zu erwähnen, daß ich das Feld ausgefüllt
hatte - in meiner Kopie ist's unübersehbar. Wer lesen kann ist klar im Vorteil. So kann
man die Mitgliedsbeiträge natürlich für unnötiges Porto verplempern."
Hövel versucht eine Erklärung:
"Wahrscheinlich haben die den Zettel bloß in irgendeine Digidoof-Maschine geschmissen.
Die war zu blöd das zu erkennen und hat gleich den Brief gedruckt, eingetütet und
abgeschickt."
Wer kennt sie nicht, die Markierungen an den verschiedensten Formularen.
Kaum ein Lebensbereich in dem nicht irgendwas maschinell verarbeitet wird. Selbst wenn
nur eine Zahl anzugeben ist, wird lieber erst 10 Mal versucht, den Zettel in das Lesegerät
zu schieben, statt sie schnell einzutippen. Eines Tages werden speziell ausgebildete
EDV-Leute den Angestellten ihre PCs justieren müssen wenn der Scanner streikt,
weil nicht sie mehr wissen, wie man mit einer Tastatur umgeht - oder wo die Dinger eingelagert
wurden. Auch 'ne Marktlücke, die
sich da auftut. Die durch wenige 'Zettel-in-den-Scanner-Schieber' eingesparten
Bürofachkräfte können dann PC-Notdienst-Ich-AGs aufmachen. Ob sich bei einer derart
geringen Qualifikation aber noch der Beamtenstatus halten können wird? Einstellungstest:
Zettel in einen Schlitz stecken und dabei nicht Scanner und Aktenvernichter verwechseln - das
war's, alles andere geht ja dann 'elektronisch'.
Die liebe Technik sorgt also mal wieder für Gesprächsstoff.
Die beiden sind sich einig, daß man einen schönen langen Stromausfall bräuchte.
Dann kniete der gesamte Vorstand jammernd vor dem PC-Gehäuse und deklamierte im Chor
'Was soll'n wir nur tun? Was machen wir denn jetzt?'.
'1984', 'Brazil', 'Terminator 1-3', ... alles harmlose Gutenachtgeschichten. Der wahre Terror
kommt nicht von aussen, sondern geht vom eigenen (überwachungs)technikbegeisterten Vorstand
aus.
Hövel bringt den Hang des Debilen Rates zum Elektronischen auf den Punkt:
"'Papierloses Büro' - pah! - die sollte man auf ein 'papierloses Klo' setzten und dann
soll'n die sich die Ärsche mal schön 'elektronisch' abwischen."
Versäumen in der nächsten Folge wie Scholz sich die Laufschuhe elektronisch bindet und
Hövels elektronische Lauftights zum Einsatz kommen ...
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Vorstandsitzung. Gerade soll der Entwurf des neu gestalteten Vereinsbriefbogens
verabschiedet werden. Eigentlich sind alle zufrieden, aber Gebeuteltland wäre nicht
Gebeuteltland wenn alles so einfach wäre. Schließlich müssen sich die einzelnen
Abteilungen profilieren und eventuelle Erfolge für sich beanspruchen.
"Meine Damen und Herren, es ist unglaublich, wie ignorant die LA-Abteilung
mit den künftigen Lesern umgeht! Dieser blasse Farbton der Schrift in den Absenderangaben
ist mit der Fußballabteilung nicht zu machen!"
"Lieber Peter Holztunnel," kontert Hans Meerhauser von der
Tennisabteilung, "wenn Sie und Ihre Abteilung sich nicht entscheiden können, für
was Sie eintreten wollen, sollten Sie den Dingen nicht im Weg stehen. Ihren Quertreibereien
haben wir doch den Reformstau zu verdanken! Ich darf Sie daran erinnern, daß gerade Sie
sich dereinst für einen Grauton stark gemacht haben!"
Der Beisitzer, der den Entwurfsausschuß leitete, verdreht die Augen
und denkt 'Jetzt geht dieser Kindergarten wieder los'. Kommt eine
Anregung aus der Schwimmabteilung, schreien die Handballer auf, bringen die Volleyballer etwas
ein, meckern die Kraftsportler. Rein aus Prinzip. Im Grunde ist's allen recht, aber auf den
rituellen Hickhack will keiner verzichten. Um die Sache geht's eh nicht, nur noch um
Eitelkeiten und Miesmacherei der jeweils anderen Abteilung.
Kindergarten eben.
Wird die Vereinspost eben weiterhin auf den alten Bögen verschickt.
"Scheiß Sturköppe von der Rechtsabteilung!", schimpft Scherbel
nachher beim Bierchen in der 'R-Bar' Andrea Ferkel die Ohren voll. "Verdammt - ich will
wissen, was die Mitglieder ausser dem Training noch alles anstellen! Irgendwie muß man denen
doch die Gefahr von vereinsfremder Trainingsspionage und -sabotage einbläuen können.
Wir müssen wissen, was die auf ihren PCs sammeln."
"Auch wenn die Bedrohung nur erfunden oder eingebildet ist. Hast ja recht,
mit Panikmache mehr Kontrolle zu gewinnen, aber übertreib's nicht. Einigen geht dein
Verfolgungswahn schon auf den Keks. Halt' dich mal etwas zurück - die Mitglieder werden
sonst noch mißtrauischer."
"Auch wenn du nicht paranoid bist, Ferkel, heißt das nicht,
daß sie nicht hinter dir her sind!!!" ruft Scherbel, und sein erhobener Zeigefinger
kreist dermaßen vor Ferkels Gesicht herum, daß er ihr fast ein Auge aussticht.
Die Umstehenden beginnen skeptisch hinüberzublicken und mancher schüttelt
den Kopf. So zieht er sich dann von der Theke zurück und nimmt in einer Nische platz.
'Na wartet' denkt er, denn die Rechtsabteilung spielt ihm zufällig gerade in die Hände.
Die muß nämlich einen alten Spion freilassen, was manchem sicher übel
aufstößt.
Da die Gesellschaft der Vorstandsbonzen für die Mitglieder eher unangenehm ist - man
(die Mitglieder) hat ja schließlich einen Ruf zu verlieren - nutzen Hövel und Scholz
den Abend eben zu einem langen Lauf.
"Typisch - einerseits die Terrorangst schüren und dann die alten Gangster
aus der Haft entlassen. Passt ja prima zusammen. Ich hätte Terrorist werden sollen",
nörgelt Scholz. "Ein paar spektakuläre Aktionen, 25 Jahre Knast ohne Sorgen um
Miete und Stromrechnung und dann als Talkshowgast, mit einem Buch und Verkauf der Filmrechte
in wenigen Monaten die Rente verdienen. Klasse Konzept, schade, daß wir das damals nicht
erkannt hatten."
"Biste Jeck? ..."
"Nee, du weißt doch, daß ich Karneval hasse."
"... Weißt du wie öde das Trainieren da ist? Die
Bahn - wenn's im Gefängnis überhaupt eine gibt - ist ja noch kürzer als im Stadion.
Landschaftslauf is da nich. Aber," gibt Hövel dann doch zu, "rein wirtschaftlich
betrachtet ist das gar nicht so blöd."
"Nach Kalender fröhlich sein, so'n Quatsch." Scholz schweift
weiterhin beharrlich vom Thema ab. "Und dann mühen die sich ab, so damlich wie
möglich aus der Rolle zu fallen, daß man denken könnte, sie wollten einmal
so bekloppt sein dürfen wie der Vorstand. Steck' die Vereinsführung bei ihren
Sitzungen in Kostüme und du merkst keinen Unterschied zu einer schlechten
Karnevalsveranstaltung."
"Weiß gar nicht, was du hast. Ich bin auch nach Kalender
fröhlich ... aber eher so Mai/Juni rum."
"Hä?"
"Ja."
"Wieso?"
"Karneval ist's meist arschkalt."
"Und darum Mai/Juni?"
"Also, die Biergartensaison zu eröffnen macht mich jedenfalls
fröhlicher, als in der Kälte von Besoffenen in augenkrebsverursachenden
Klamotten angegrölt zu werden."
"Da is' was dran - also an der Kälte. Warum die das nicht im Sommer
veranstalten, wo's doch mit dem eigentlichen Ursprung eh nix mehr zu tun hat ..."
"Eigentlichen Ursprung?"
"Keine Ahnung, was das war, aber saufen und grölen war sicher nicht
der Sinn der Aktion."
Versäumen Sie die nächste Folge, weil Scherbels Spionagetroyaner 'Helau_und_Alaaf.exe'
Ihren Rechner abschmieren ließ.
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"Erich, was siehst du alt aus!"
Hövel hat sich ein Kölsch gegönnt, um den Lauftreff in der 'R-Bar'
abzuschließen.
"Hast Du denn deine Steuererklärung schon fertig?" kontert der
Wirt und wedelt mit einem Fächer grünlicher Zettel herum.
"Nö."
"Siehste. Und dann erblöden die sich, Ausbildung zum Finanzbeamten
anzubieten." Er hält ihm das Deckblatt unter die Nase. "Da brauchen die
Abitur und 'n Studium, nur um die Zahlen aus den Formularen in ihr Computerhirn zu packen. Also ich
hab' kein Abi und muß den Scheiß sogar ausfüllen. Blanker Hohn is
das!"
"Immerhin füllst Du noch Papier-Formulare aus.
Beim elektronischen Kram bescheißt die diebische Elster dich gleich automatisch
mit falschen Berechnungen, wie neulich ein Steuerberater rausgekriegt hat.
Dann lieber die Papierformulare, da müssen die sich schon selber die Mühe machen,
sich zu verrechnen. Da bleibt immerhin die Chance, daß sie dazu zu faul sind.
"Von wegen. Die schieben's neuerdings auch bloß noch in den Scanner
rein und ihr Programm hat dann die selben Macken. Es hilft nix, um's nachrechnen kommt man nicht
rum."
"Tja, Erich, leider haben wir da aber die schlechteren Karten. Erstens haben
die Abitur und zweitens Zugang zu Details und Informationen, von deren Existenz der Bürger
dank seiner dummen Ehrlichkeit erst gar nix ahnt."
Dank dieser Aufmunterung wirkt Erich nun noch älter. Da bessert auch
Hövels Bestellung des zweiten Kölsch seine Stimmung nicht.
Scholz schiebt sich mit saurer Miene auf den Hocker neben Hövel.
"Was ist denn mit dir los?" fragt Erich.
"Du glaubst nicht, was ich heute auf dem Schreibtisch vom Arzt gesehen hab'.
Da fragen die Kassenverwalter von der Schitt den Arzt ob das ausgestellte Rezept notwendig ist
und ob er sich das nicht unter dem Kosten-Gesichtspunkt nochmal überlegen kann."
Während Hövel fast das Bier aus der Hand fällt, lässt Erich
keine Überraschung erkennen. Offenbar erwartet er schon nix anderes mehr in diesem Verein.
"So sieht's aus", fährt Scholz fort, "mit der
Kostendämpfung im Sanitätsbereich: Da werden den Kranken notwendige Leistungen
verweigert um Geld zu sparen! Anstatt gleich richtig zu behandeln sollen die Ärzte mit
Billigpofel hantieren."
"Was natürlich noch teurer wird, wenn sich die Krankheit
hinzieht oder verschlimmert." Erklärt Erich. "Und die Menschen sind denen mal
wieder völlig egal. Kann man nur hoffen, daß es sie mal selber trifft und für
all ihre Beitragsgelder gründlich im Stich gelassen werden."
Hmm... irgendwie geht das Konzept wohl doch nicht auf.
Die Vorstellung, ein Verein würde so geführt, wie unsere Regierung das Geschick
unseres Landes steuert ist wohl zu absurd. Das sind doch völlig verschiedene Welten, die
sich nicht mal auf satirischer Ebene verknüpfen lassen. In (zumindest) meinem Verein gibt
es keine Eitelkeiten oder Kleinkriege, die wichtige Entscheidungen behindern. Alle haben
ein gemeinsames Ziel und finden in konstruktiven Debatten zügig eine tragbare Lösung.
Verwaltung und Politik als reiner Selbstzweck, wie es von den Regierenden praktiziert wird ist
für vernunftbegabte Lebewesen einfach zu grotesk um es auf die Gemeinschaft eines
Sportvereins übertragen zu können ...
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